Struktur und Dramaturgie der interaktiven Ausstellung

 

Strukturen

Die Ausstellung erhält ihre Strukturierung durch die einzelnen Blöcke, die jeweils thematisch und chronologisch-biografisch definiert sind.

 

Block 1.

enthält die Einführung in den festgelegten Zeitraum. Die Protagonisten werden vorgestellt, wie auch die anderen Handlungsträger. Beginn der fotografischen Zeitleiste

  

Block 2. Geborgen Sein?

Familie, Kindheit, Schule

Im zweiten Block soll der Zugang in die Thematik durch die Kindheit/Schulzeit geschehen. Das Kind kann die Zusammenhänge noch nicht durchschauen, erlebt zuerst vordergründig Geborgenheit. Die Pionierorganisation und die verplante Freizeit des Kindes erscheinen als „normal", das Kind fühlt sich wichtig. Die Pioniergebote u. ä. werden, da man es nicht anders kennt und gemeinsam erlebt,  als notwendiges Beiwerk hingenommen. Das ändert sich natürlich während des Heranwachsens.

Das unterschiedliche familiäre Umfeld spielt eine wichtige Rolle: Rolf Günzler wächst auf dem Dorf auf. Die Eltern qualifizieren sich später beruflich. Rolf besucht die POS. Peter Rein wächst in der Stadt Erfurt auf, seine Eltern sind ausgebildete Pädagogen und SED-Mitglieder. Peter besucht zuerst die POS, wird aber später zur Kinder- und Jugendsportschule delegiert und erlebt sich eine Zeitlang als Elite.

Dokumentiert wird hier, wie der Staat im Hintergrund in die Familien hineinwirkte.

Die Kinder- und Jugendorganisationen bilden den Kontrast, wie auch die Erfordernisse der sozialistischen Schule. Die Notwendigkeit eines „Doppellebens" in der Diktatur wird erkennbar. 

  

Block 3. Sinn - Suche

Ideale, Idole, Musik, Haare

Die Protagonisten begeben sich auf Sinn-Suche, sie erleben nun bewusst den Widerspruch zwischen ihren Träumen und dem real existierenden Sozialismus.

Ihr jugendlicher Hedonismus, ihre Träume, etwas besonderes sein zu wollen, stoßen auf Unverständnis und Widerstand. Sie suchen ihre Ideale woanders. Die vorgegebenen DDR-Helden können sie nicht begeistern, ebenso wenig wie die vom Staat verordnete Kultur und Musik. In der Musik bspw. finden sie eine Welt, in der sie sich verstanden fühlen.

Exemplarisches Beispiel für diese Zeit ist die Klaus-Renft-Combo, die bereits im Herbst 1975 Berufsverbot wegen ihrer angeblich staatsfeindlichen Texte erhielt. Ebenso sollen Wolf Biermann, Jimi Hendrix, Che Guevara, Janis Joplin, Bob Dylan und Pink Floyd Erwähnung finden. Durch die Musik entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Die Protagonisten erkennen bei ersten Besuchen von Live-Konzerten, dass sie nicht allein sind mit ihren Gedanken und Gefühlen. Auch die Musiker haben Schwierigkeiten mit der sozialistischen Kultur, DDR-Musiker benötigen eine Spielerlaubnis, die ihnen jederzeit entzogen werden kann, wenn sie sich nicht den sozialistischen Normen entsprechend verhalten. Jeder Auftritt kann der letzte sein. Man kämpft um Freiräume. Eine starke Identifikation entwickelt sich mit den textlichen Inhalten von Udo Lindenberg: „...ich will meine Träume nicht nur träumen, ich will sie auch erleben!".

Literatur - Kunst-Texte

Dieser Block soll sich mit der Literatur/Kunst beschäftigen, die die Erfurter Gruppe stark beeinflusste, mit der sie sich identifizieren und ihre Ideale teilweise bestätigt finden konnte. Die Kulturpolitik der DDR stellte das sozialistische Menschenbild in den Vordergrund, in allen Werken sollte der Klassenstandpunkt zum Ausdruck kommen. Eindeutige politische Aussagen waren wichtiger als Kreativität. Die Zensur war allgegenwärtig.

 Die Erfurter Gruppe sucht weiterhin nach Inspiration und Übereinstimmungen in der ANDEREN Kunst. Letztendlich bleibt alles aber nur eine Flucht aus dem Alltag. Es herrscht Ratlosigkeit. Wer ein verbotenes Buch besitzt, kann dafür bestraft werden.

Die so genannten „bürgerlichen Philosophen" sind nur schwer zugänglich, das erhöht ihren  Reiz. Aber einen Ausweg können sie nicht aufzeigen. Letztendlich bleiben Hoffnungslosigkeit und Resignation.

  

Block 4. Dabei Sein ?  

Lehre - Berufsalltag- die sozialistische Persönlichkeit

Die Protagonisten versuchen die ihnen entsprechende Ausbildung zu erlangen, u. a. auch durch scheinbare Anpassung und dabei trotzdem ihrer Lebensanschauung treu zu bleiben, mit unterschiedlichem Erfolg. Auch sie müssen sich den Gegebenheiten anpassen und sich von Berufswünschen verabschieden. Andererseits haben sie ein gutes Verhältnis zu den Eltern und müssen ihnen dennoch Sorgen bereiten, denn das Leben in der ANDEREN Jugendkultur ist ihnen über-lebenswichtig.

 Die permanente Propaganda beginnt sie zu nerven, denn auch in der Berufsausbildung ist sie ständig präsent. Wie bereits in der Schule werden fortwährend Kleidung und Haare thematisiert.

„Sozialistische Persönlichkeiten" wollen sie nicht werden, sondern leben, sich beweisen. Sie erkennen die Unvereinbarkeit von Anspruch und Wirklichkeit in der Diktatur. Jeder für sich muss Entscheidungen treffen: „Ehrendienst bei der NVA", Berufsoffizierlaufbahn oder Bausoldat bspw.

  

Block 5. Frei Sein?

Besetzung des öffentlichen Raums - On the road - Freizeitgestaltung in der Diktatur

Die Protagonisten erkennen, dass sie nicht allein sind in ihrer Sehnsucht nach Freiheit.

Zusammen mit Gleichgesinnten begeben sie sich auf die Suche, nach Geborgenheit und Nähe in einer Gruppe, nach Liebe, aber auch nach der eigenen Individualität. Sie wollen neue Lebensformen ausprobieren. Das Trampen vermittelt ihnen das Gefühl von Freiheit. Es ist die bevorzugte Art der Fortbewegung, da man Menschen kennen lernt, Kontakte herstellt, um Verständnis werben kann und kostengünstig ist es auch.

Gleichgesinnte erkennen sich an äußerlichen Zeichen. Die Szene-Kleidung wird selbst hergestellt, da im sozialistischen Handel nichts dergleichen erhältlich ist. Kreativität ist erforderlich. Aber sie werden sich auch bewusst, dass sie beobachtet werden. Die „Inoffiziellen Mitarbeiter" der Stasi tauchen in der Szene auf.

Durch Untersetzung mit Texten des MfS kann anschaulich gemacht werden, an welchen Kriterien sich die Staatssicherheit orientierte, um bspw. „westlich-dekadent" und „feindlich-negativ" zu definieren.

Die mittlerweile entstandene Erfurter Gruppe ist in der ganzen DDR vernetzt, organisiert Fußballtourniere und gemeinsame Wanderungen, besucht gemeinsam Konzerte und sozialistische Volksfeste. Man begeistert sich für die freie Natur und favorisiert das ursprüngliche natürliche Leben.  Rolf Günzler und wechselnde Mitglieder der Erfurter Gruppe bereisen ausgiebig Osteuropa. Auch hier entstehen lose Netzwerke, die bspw. später durch  Brieffreundschaften lebendig gehalten werden. Manchmal schließt man sich mit den gerade kennen gelernten Gleichgesinnten zusammen und reist gemeinsam weiter. Man freut sich natürlich besonders, wenn man junge Leute aus Westeuropa trifft und etwas aus „der großen, weiten Welt" erfahren kann.

Die Urlaube in Osteuropa haben große Bedeutung, um alte Freunde zu wieder sehen zu können, die nach Ausreise oder erfolgreicher „Republikflucht" bereits in Westdeutschland leben, da diesen die Einreise in die DDR verweigert wird.

 

Block 6. Anders Sein

Konsequenzen in der Diktatur

Dieser Block wird die Konsequenzen und die Kriminalisierung veranschaulichen, die das „abweichende" Verhalten nach sich zog.

Die Erfurter Gruppe muss erfahren, wie mit Andersdenkenden umgegangen wird. Die Repressionen erfolgen mit ganz unterschiedlicher Intensität und Härte. Zumeist kommen sie völlig unerwartet. Der eingeleitete Vorgang der „Zersetzung" durch die Staatssicherheit wird nicht erkannt, ist auch nicht erkennbar. Der so genannte „Zugriff" erfolgt plötzlich, sporadisch und über längere Zeiträume hinweg. Auch die Familienmitglieder sind betroffen (Hausdurchsuchung, Gespräche mit Mitarbeitern der Kriminalpolizei und der Partei). Ihre Staatstreue wird angezweifelt.

 Angst und Hilflosigkeit sind die Folge. Einen der Gruppe trifft es besonders hart. Das wird registriert und hingenommen. Die Gruppe ist gelähmt. Nun ist eine Entscheidung unumgänglich. Wer weiter macht, muss eine Einengung des Lebensalltags hinnehmen oder gar den Ausschluss aller Perspektiven und Privilegien. Die Härte des DDR-Machtapparates und die breit gefächerten Repressionsmethoden finden in diesem Block ihre Darstellung.

Der Eine wird freigekauft, holt sein Abitur nach und wird anderthalb Jahre später von einem Betrunkenen überfahren und tödlich verletzt. Am Ende heiratet der Andere und zieht sich, zumindest teilweise, ins Privatleben zurück.

  

Block 7.  Ausführung

Ende der fotografischen Zeitleiste, Minimierung des Freundeskreises, Verweis auf die Ausdifferenzierung nachfolgender Jugendkulturen, Friedensbewegung, Umweltgruppen etc.

die Alben werden „geschlossen"

  

Die Hörstationen

Mittels fünf Hörstationen wird die virtuelle Darstellung der Ausstellung vertieft. Einzeln stehend, den jeweiligen Themengebieten beigeordnet, wird den Besucherinnen und Besuchern auch audiovisuell durch Tondokumente ein unmittelbarer emotioneller Zugang ermöglicht. Durch sehr persönliche Passagen bspw. aus den Interviews mit den Müttern der Protagonisten und anderen Bezugspersonen kann dieser Zugang nachhaltig intensiviert und eine größere Nähe hergestellt werden. Der Zeitgeist kommt durch ausgewählte Musik zum Tragen, wie auch die gemeinsamen Musikvorlieben über die Grenzen hinweg. Unverzichtbar war hier die Gegenüberstellung zu staatlich indoktriniertem DDR-Liedgut.

Durch die jeweils beigeordnete Hörstation können die Besucherinnen und Besucher sofort auf diese vertiefende Dokumentation zugreifen und dezidiert die sie interessierenden Passagen abhören. Da zwei Ohrhörer fest montiert sind ist eine paarweise Nutzung möglich.

Stilisierte Symbole (Piktogramme) auf den Ausstellungsflächen verweisen auf die jeweiligen vertiefenden Informationen.

 

Die Klappbücher

Auf den Hörstationen ist jeweils ein ca. 20 Seiten umfassendes Klappbuch mit untersetzendem Material befestigt. Diese enthalten bspw. Erläuterungen zu Begriffen, ergänzende Egodokumente und signifikante Stasidokumente in ausführlicher Form. So konnte eine Überfrachtung der Ausstellungsbanner vermieden werden.

Stilisierte Symbole (Piktogramme) auf den Ausstellungsflächen verweisen auf die jeweiligen vertiefenden Informationen.

Der unmittelbare spontane Zugriff auf die Tondokumente bei zeitgleichem Betrachten der Banner, und/oder auch dem Blättern in den Klappbüchern geht unkompliziert vonstatten. So wurde die Interaktivität der Ausstellung erzielt.